Ein Jahr gesellschaftlicher Schulterschluss für die Landwirtschaft
Ein Jahr nach der Unterzeichnung des Gesellschaftsvertrags für die Zukunft der Landwirtschaft und der biologischen Vielfalt zieht die Landesregierung eine positive Zwischenbilanz. Im Rahmen der Jahresveranstaltung zum Strategiedialog Landwirtschaft am 9. Oktober 2025 im Look 21 in Stuttgart präsentierte sie erste konkrete Ergebnisse und Fortschritte. Rund 50 Spitzenvertreterinnen und -vertreter aus Landwirtschaft, Naturschutz, Handel, Wissenschaft, Kirchen, Politik und Zivilgesellschaft hatten den Vertrag im vergangenen Jahr unterzeichnet – mit dem Ziel, gemeinsam eine nachhaltige, faire und zukunftsfähige Agrarpolitik für Baden-Württemberg zu gestalten.
Ministerpräsident Winfried Kretschmann lobte in seinem Videogrußwort die enge Zusammenarbeit der Beteiligten: „Der Gesellschaftsvertrag ist ein gemeinsam getragenes Versprechen für die Zukunft einer nachhaltigen und regional verankerten Landwirtschaft. Das Engagement und die konstruktive Zusammenarbeit, die wir hier erleben, sind bundesweit einzigartig und finden sogar auf EU-Ebene große Beachtung.“
Vorbild für Europa
Tatsächlich hat das baden-württembergische Modell Strahlkraft weit über die Landesgrenzen hinaus. Elisabeth Werner, Generaldirektorin der Europäischen Kommission für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung, würdigte das Projekt in ihrem Impulsvortrag als „Leuchtturm für eine europäische Agrarpolitik von morgen“. Sie betonte, dass Baden-Württemberg mit seinem Dialogansatz eine Blaupause für die Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) ab 2028 liefere – mit einem klaren Fokus auf Nachhaltigkeit, Bürokratieabbau und gezielte Förderungen für Umwelt- und Klimaschutzmaßnahmen.
Kretschmann unterstrich, wie wichtig die Verbindung zwischen ökologischer Verantwortung und wirtschaftlicher Tragfähigkeit ist: „Wir brauchen eine Agrarpolitik, die Landwirtinnen und Landwirten faire Einkommen sichert, Biodiversität schützt und zugleich die Bürokratie reduziert. Nur so gelingt der Wandel in der Fläche.“
Bildung als Schlüssel zur Transformation
Ein zentraler Baustein des Gesellschaftsvertrags ist das Thema Bildung und Bewusstseinsbildung. Staatssekretär Florian Haßler betonte, dass der gesellschaftliche Wandel nur gelingt, wenn Kinder, Jugendliche und Erwachsene die Zusammenhänge zwischen Landwirtschaft, Ernährung und Artenvielfalt verstehen: „Bildung ist der Schlüssel zu einem neuen Verständnis von Landwirtschaft. Wir müssen zeigen, dass Nachhaltigkeit nicht Verzicht bedeutet, sondern Zukunftssicherung.“
Dazu wurde der Runde Tisch Bildung eingerichtet, der inzwischen drei Mal tagte und erste Ergebnisse vorweisen kann. Künftig sollen Lern- und Informationsangebote auf einer zentralen Plattform gebündelt werden, die Akteure aus Schulen, Umweltbildung und Landwirtschaft vernetzt. Mit dem neuen Fachtag „Natur erleben – Biodiversität“ sollen zudem der Austausch und die Kooperation zwischen Schulen und außerschulischen Partnern gestärkt werden. Erfolgsprogramme wie „Landwirtschaft macht Schule“ und „Lernort Bauernhof“ werden ausgebaut, um den Kontakt junger Menschen mit der Landwirtschaft zu intensivieren.
Kultusministerin Theresa Schopper ergänzte: „Ob auf dem Schulbauernhof, im Wald oder bei Exkursionen – junge Menschen lernen dort, wie eng ihr Alltag mit der Arbeit unserer Landwirtinnen und Landwirte verbunden ist. Diese Erfahrung prägt und schafft Respekt vor der Natur und ihren Ressourcen.“
Landwirtschaft und Gesellschaft im Gleichschritt
Der Strategiedialog Landwirtschaft versteht sich als verbindende Plattform, die Politik, Praxis und Zivilgesellschaft an einen Tisch bringt. Zahlreiche Projekte und Initiativen wurden im ersten Jahr umgesetzt – von neuen Förderinstrumenten über die Anpassung bestehender Programme bis hin zur Vernetzung regionaler Wertschöpfungsketten.
Landwirtschaftsminister Peter Hauk hob hervor: „Unsere Aufgabe ist es, die Ergebnisse des Dialogs mit Leben zu füllen. Wir fördern gezielt kleine Betriebe, stärken die typisch kleinstrukturierte Landwirtschaft und entwickeln unsere Qualitätszeichen kontinuierlich weiter. Das Qualitätszeichen Baden-Württemberg (QZBW) und das Biozeichen Baden-Württemberg (BIOZBW) stehen für Vielfalt, Qualität und regionale Herkunft – Werte, die Verbraucherinnen und Verbraucher zunehmend schätzen.“
Ein wichtiger Meilenstein ist zudem die Einrichtung des Kulturlandschaftsrats mit seinen beiden Fachgremien „Marktbeirat“ und „Nachhaltige Landwirtschaft und Ökosystemdienstleistungen“. Er fungiert als Plattform für die Entwicklung neuer Ideen zur Stärkung der landwirtschaftlichen Wertschöpfungsketten und des Landschaftsschutzes.
Umwelt- und Klimaschutz als gemeinsame Aufgabe
Auch das Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft sieht im Strategiedialog einen entscheidenden Hebel für mehr Nachhaltigkeit im Agrarsektor. Umweltministerin Thekla Walker betonte: „Unsere Landwirtinnen und Landwirte sind zentrale Partner im Natur- und Klimaschutz. Wir unterstützen sie mit Beratung, Förderung und Wissenstransfer, damit sie Biodiversitätsmaßnahmen effektiv umsetzen können.“
Die Landesregierung fördert dazu Projekte, die ökologische Landwirtschaft, Insektenschutz und Gewässerrandstreifen stärken. Gleichzeitig entstehen regionale Netzwerke zwischen Landwirtschaft und Naturschutz, um Synergien zu nutzen und Biodiversität praktisch umzusetzen.
Fortschritte sichtbar – Baden-Württemberg als Modellregion
Der abschließende Rundgang durch die Projektstände der Jahresveranstaltung machte deutlich, wie viel sich in nur einem Jahr bewegt hat. Von Pilotprojekten in der Bildung über neue Förderkonzepte bis hin zu innovativen Vermarktungsstrategien: Der Gesellschaftsvertrag trägt bereits erste Früchte.
„Die Zusammenarbeit von Politik, Praxis, Handel und Gesellschaft zeigt, was möglich ist, wenn wir gemeinsam Verantwortung übernehmen“, so Ministerpräsident Kretschmann. „Unser Ziel bleibt, Baden-Württemberg als Modellregion für nachhaltige Landwirtschaft und Artenvielfalt weiterzuentwickeln – zum Nutzen der Landwirte, der Verbraucherinnen und Verbraucher und unserer Umwelt.“
Der Gesellschaftsvertrag umfasst 256 konkrete Empfehlungen und Selbstverpflichtungen – von der Stärkung der regionalen Vermarktung bis zur Förderung biologischer Vielfalt. Er bildet das Fundament für eine neue Partnerschaft zwischen Landwirtschaft und Gesellschaft, die auf Vertrauen, Dialog und gemeinsamer Verantwortung basiert.
„Wir sind auf dem richtigen Weg“, fasste Minister Peter Hauk zusammen. „Denn nur wenn Landwirtschaft, Politik und Gesellschaft zusammenarbeiten, können wir die Herausforderungen unserer Zeit meistern – und eine nachhaltige Zukunft für Baden-Württemberg gestalten.“
