Beinahe tödlicher Zwischenfall löst Alarm aus
Ein aktueller Vergiftungsfall am Universitätsklinikum Freiburg macht die Gefahren von im Internet bestellten Tabletten deutlich. Ein interdisziplinäres Team aus Toxikologinnen des Instituts für Rechtsmedizin und Ärztinnen der Vergiftungs-Informations-Zentrale (VIZ) hat eine Tablette untersucht, die beinahe zum Tod führte. Statt des erwarteten Benzodiazepin-Prodrugs enthielt die Substanz das hochwirksame synthetische Opioid Cyclorphin. Die betroffene Person musste auf der Intensivstation behandelt werden.
Synthetisches Opioid statt Beruhigungsmittel
„Wir haben in der untersuchten Tablette Cyclorphin identifiziert – ein potentes Opioid, das bereits in geringen Dosen zu lebensbedrohlichen Zuständen führen kann“, erklärt Prof. Dr. Volker Auwärter, Leiter der Forensischen Toxikologie am Universitätsklinikum Freiburg. Anders als Benzodiazepine, die vor allem beruhigend wirken, entfalten synthetische Opioide eine extrem starke, atemdämpfende Wirkung. Schon kleinste Mengen können eine Überdosierung verursachen. Laut Auwärter sei dieser Fall Ausdruck einer gefährlichen Entwicklung: „In den letzten Jahren gab es in Deutschland eine deutliche Zunahme tödlicher Zwischenfälle durch synthetische Opioide.“
Täuschende Verpackung erhöht Risiko
Besonders perfide: Die Tabletten wurden in einer durchsichtigen Zip-Tüte verkauft, auf der „Alprazolam Triazolobenzophenone Pellets I 1 mg“ stand. Verbraucher*innen erwarteten daher ein Präparat mit einem Prodrug des Benzodiazepins Alprazolam – bekannt unter dem Handelsnamen Xanax. Stattdessen enthielten die Tabletten Cyclorphin, eine Substanz, die strukturell mit Brorphin verwandt ist, bislang jedoch nicht gesetzlich reguliert wird. Die Ähnlichkeit zu Fentanyl, das in den USA seit Jahren tausende Todesfälle verursacht, macht die Gefahr noch deutlicher.
Ein wachsendes Problem in Deutschland
Der Freiburger Fall ist kein Einzelfall. Bereits in den vergangenen Jahren musste das Universitätsklinikum Freiburg Todesfälle untersuchen, bei denen Konsumierende Opfer falsch deklarierter Substanzen wurden. Das Muster ist alarmierend: Immer häufiger werden vermeintlich „legale“ oder bekannte Wirkstoffe durch extrem gefährliche, neue synthetische Substanzen ersetzt. Für Konsumierende besteht damit kaum eine Möglichkeit, die tatsächlichen Inhaltsstoffe zu erkennen.
Forderung nach schneller Einführung von Drug Checking
Die Freiburger Expert*innen nehmen den aktuellen Fall zum Anlass, ihre Forderung nach einem raschen Ausbau von „Drug Checking“ zu erneuern. Dabei können Konsumierende Substanzen vor der Einnahme in spezialisierten Stellen prüfen lassen. Zwar wurde das Betäubungsmittelgesetz auf Bundesebene bereits angepasst, um diese Möglichkeit zu schaffen. Doch in mehreren Bundesländern – darunter Baden-Württemberg – fehlt bislang die konkrete Landesverordnung, um das Angebot tatsächlich umzusetzen.
Schutz von Konsumierenden muss Priorität haben
Aus Sicht der Ärztinnen und Toxikologinnen ist die Einführung solcher Schutzmaßnahmen dringend notwendig. „Nur wenn Substanzen verlässlich getestet werden können, lassen sich lebensgefährliche Vergiftungen und Todesfälle vermeiden“, betonen die Fachleute. Sie fordern daher von der Politik, die bestehenden gesetzlichen Möglichkeiten endlich konsequent zu nutzen. Der aktuelle Fall zeigt eindringlich, dass jede Verzögerung im schlimmsten Fall Menschenleben kosten kann.
