Länderinitiative für mehr Organspenden
Baden-Württemberg gibt beim Thema Organspende nicht auf: Gemeinsam mit sieben weiteren Bundesländern startet das Land einen erneuten Vorstoß im Bundesrat. Ziel ist die Einführung der sogenannten Widerspruchslösung, bei der grundsätzlich jede Bürgerin und jeder Bürger als potenzielle Organspenderin bzw. potenzieller Organspender gilt – es sei denn, man widerspricht aktiv. Neben Baden-Württemberg unterstützen auch Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Hessen, Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern, Thüringen und das Saarland den Gesetzesantrag, der in den Bundestag eingebracht werden soll. Der Ministerrat in Stuttgart hat die Initiative nun offiziell beschlossen.
„Zu viele Menschen sterben Tag für Tag“
Gesundheitsminister Manne Lucha betont die Dringlichkeit: „Zu viele Menschen sterben Tag für Tag, weil es an gespendeten Organen fehlt. Wir müssen jetzt handeln.“ Allein im vergangenen Jahr warteten bundesweit Tausende Patientinnen und Patienten vergeblich auf ein Spenderorgan. Hinter jeder Zahl stehe ein Schicksal, oft verbunden mit langen Leidenswegen und der ständigen Ungewissheit, ob ein rettendes Organ rechtzeitig verfügbar sein wird.
Bereitschaft in der Bevölkerung vorhanden
Laut Umfragen befürworten mehr als 80 Prozent der Menschen in Deutschland grundsätzlich die Organspende. Dennoch bleibt die Zahl der tatsächlichen Spenderinnen und Spender seit Jahren auf niedrigem Niveau. Der Grund: Viele dokumentieren ihren Willen nicht schriftlich, sodass im Ernstfall Angehörige entscheiden müssen. „Nach wie vor äußern sich zu wenige Menschen zu Lebzeiten zur Organspende. Dadurch entstehen Unsicherheiten, und im Zweifel wird zu oft abgelehnt. Das kostet wertvolle Organe und damit Leben“, so Lucha.
Rückschlag durch Regierungswechsel in Berlin
Bereits im Dezember 2023 hatte der Bundesrat auf Antrag von Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen für die Einführung der Widerspruchslösung gestimmt. Der damalige Entschließungsantrag forderte die Bundesregierung auf, die Regelung im Transplantationsgesetz zu verankern. Aufgrund des Bruchs der Ampelkoalition konnte die Initiative jedoch nicht weiterverfolgt werden. Jetzt soll der Anlauf nach dem Regierungswechsel erneut gestartet werden – diesmal mit breiterer Unterstützung durch mehrere Länder.
Deutschland hinkt im europäischen Vergleich hinterher
In fast allen europäischen Staaten ist die Widerspruchslösung längst Standard. Dort ist die Zahl der Organspenden pro Kopf deutlich höher, und Patientinnen und Patienten profitieren von einer klar geregelten „Kultur der Organspende“. Deutschland hingegen ist eines der wenigen Länder, das diese Lösung noch nicht eingeführt hat – gleichzeitig profitieren deutsche Patientinnen und Patienten überproportional von Spenderorganen aus Staaten, die die Widerspruchslösung bereits etabliert haben. „Es wird höchste Zeit, dass wir diesen Paradigmenwechsel auch in Deutschland schaffen“, so Minister Lucha.
Erschreckend niedrige Dokumentationsquote
Eine Auswertung aus Baden-Württemberg verdeutlicht das Problem: Trotz einer gezielten Sensibilisierungskampagne auf Intensivstationen war nur bei 35 Prozent der potenziellen Organspenderinnen und -spender der Wille des Verstorbenen bekannt. Lediglich 15 Prozent hatten eine schriftliche Willensbekundung hinterlegt. In allen anderen Fällen mussten Angehörige entscheiden – und entschieden sich häufig dagegen. Dadurch gingen dringend benötigte Organe verloren.
Appell für mehr Verbindlichkeit
„Wir müssen die Kluft zwischen der hohen grundsätzlichen Zustimmung und der geringen tatsächlichen Zahl an Organspenden endlich schließen“, mahnt Lucha. Nur die Einführung der Widerspruchslösung könne diesen Missstand nachhaltig beheben. Baden-Württemberg und seine Partnerländer sehen darin den Schlüssel zu einer verlässlicheren und gerechteren Organspendepraxis in Deutschland – und zu mehr geretteten Menschenleben.
